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Pädagogik & Psychologie
Herausforderungen in der Betreuung von 6-12-Jährigen

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Zwischen Hausaufgaben und Hormonchaos
Lisa ist verzweifelt, so hatte sie sich ihren Arbeitsbeginn am Montag nicht vorgestellt. Kaum betritt sie den Gruppenraum, zerrt Paul (7) sie schon am Ärmel: „Lisa, kannst du mir bei den Mathehausaufgaben helfen? Ich verstehe gar nichts!“ Währenddessen zieht Esra (9) genervt eine Grimasse, weil ihre Freundin Lina (8) gerade mit jemand anderem spielt. „Sie beachtet mich gar nicht mehr!“, ruft sie aufgebracht. Nebenan ist einem Kind gerade eine Kanne mit Wasser umgekipp und in der Ecke toben zwei Jungs, die mit Kissen eine wilde Schlacht veranstalten.
Lisa seufzt – es ist einer dieser Tage, an denen alles auf einmal passiert. Tief durchatmend versucht sie, Ruhe ins Chaos zu bringen und jedem Kind gerecht zu werden.
Eigentlich ist Lisa Konditorin, hat jedoch Verschiedenes ausprobiert und sich nach Ihrer Elternzeit entschieden, in der Nachmittagsbetreuung dieser Grundschule zu arbeiten. Die neue Tätigkeit erfüllt sie mit großer Freude und sie fühlt sich wohl inmitten der Kinder. Sie hat für sich einen Arbeitsplatz gefunden, der ihr viel gibt, aber der oft auch sehr herausfordernd ist und ihr Vieles abverlangt. Gerne möchte Sie dort bleiben, wünscht sich aber einen besseren Umgang und mehr Sicherheit und Souveränität in Ihrem pädagogischen Handeln.
Wie gelingt die Schulkindbetreuung im Alltag?
Doch wie gelingt das? Welche Strategien helfen Fachkräften dabei, inmitten dieser Dynamik souverän zu bleiben? Und wie können sie den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder gerecht werden?
Die Betreuung von 6- bis 12-Jährigen unterscheidet sich grundlegend von der Arbeit mit Kindergartenkindern. Während die einen noch spielerisch ihre Welt entdecken, stehen andere bereits mitten in der Vorpubertät und bringen neue emotionale und soziale Herausforderungen mit sich. Fachkräfte müssen mit einer Vielzahl von Anforderungen jonglieren:
- Hausaufgabenstress: Manche Kinder sind müde und unmotiviert, andere überfordert oder abgelenkt. Wie findet man den richtigen Weg, um sie zu unterstützen?
- Gruppendynamik: Freundschaften entstehen und zerbrechen innerhalb von Stunden. Eifersucht und soziale Unsicherheiten sind alltäglich.
- Grenzen austesten: Kinder in diesem Alter hinterfragen Autoritäten und suchen nach mehr Selbstbestimmung.
- Unterschiedliche Entwicklungsstände: Während manche Kinder schon sehr selbstständig sind, brauchen andere noch viel Unterstützung und Orientierung.
- Bewegungsdrang & Langeweile: Nach der Schule wollen sich viele Kinder austoben, während andere lieber in Ruhe lesen oder basteln möchten.
- Emotionale Herausforderungen: Kinder durchlaufen in dieser Phase wichtige Entwicklungsprozesse, die mit Unsicherheiten und Stimmungsschwankungen einhergehen.
- Fehlende emotionale/soziale Kompetenzen: Einige Kinder haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle angemessen zu äußern oder Konflikte konstruktiv zu lösen.
Es erscheint nahezu unmöglich, all diesen Anforderungen gerecht zu werden, doch es gibt Möglichkeiten, für sich und die Schüler:innen einen guten Weg zu finden. Es ist nicht der eine große Wurf oder die eine Weisheit, die zum Ziel führt. Vielmehr sind es eine Vielzahl von Stellschrauben, die zum Erfolg führen um letztlich Kindern und Fachkräften das Leben leichter zu machen.
Praktische Tipps für Fachkräfte in der Schulkindbetreuung
1. Klare, aber flexible Strukturen schaffen
Kinder in diesem Alter brauchen Regeln – aber auch das Gefühl, mitbestimmen zu können. Ein fester Tagesablauf gibt Sicherheit, während kleine Wahlmöglichkeiten (z. B. „Möchtest du zuerst deine Hausaufgaben machen oder eine kleine Pause einlegen?“) das Gefühl von Selbstbestimmung fördern.
Tipps für klare Strukturen:
- Feste Rituale zu Beginn und am Ende des Betreuungstages etablieren
- Klare Regeln gemeinsam mit den Kindern erarbeiten
- Visualisierte Tagespläne nutzen, um Orientierung zu bieten
- Kinder aktiv in Entscheidungsprozesse einbeziehen
2. Konflikte als Lernchance nutzen
Ob Streit um einen Fußball oder das Gefühl, von der besten Freundin ignoriert zu werden – Konflikte gehören dazu. Wichtig ist, sie nicht zu unterbinden, sondern den Kindern Werkzeuge für die Konfliktlösung an die Hand zu geben.
Tipps für konstruktive Konfliktbewältigung:
- Die „Ich-Botschaft“-Methode nutzen: „Ich bin traurig, weil ich mitspielen möchte.“
- Kinder ermutigen, ihre Gefühle verbal auszudrücken, statt impulsiv zu handeln
- Klare Regeln für den Umgang mit Konflikten etablieren („Wir lösen Probleme mit Worten.“)
- Rollenspiele nutzen, um alternative Verhaltensweisen zu erproben
3. Bewegung als Stressventil nutzen
Viele Kinder haben nach einem langen Schultag einen enormen Bewegungsdrang. Wer diesen nicht beachtet, hat es schwer, für Ruhe zu sorgen.
Tipps für aktive Pausen:
- Bewegungsspiele oder kleine Sporteinheiten zwischendurch einbauen
- Einfache, kurze Bewegungs-Challenges für Gruppenaktivitäten nutzen
- „Tobezonen“ oder Ruhezonen in den Räumlichkeiten einrichten
- Draußen spielen und frische Luft nutzen, wenn möglich
4. Selbstständigkeit und Eigenverantwortung fördern
Schulkinder befinden sich in einer Phase, in der sie zunehmend selbstständig werden wollen. Das gezielte Fördern von Eigenverantwortung stärkt ihr Selbstbewusstsein.
Tipps zur Förderung der Selbstständigkeit:
- Kinder an der Planung und Organisation von Aktivitäten beteiligen
- Ihnen Verantwortung für kleine Aufgaben im Alltag übertragen
- Reflexionsrunden einführen: „Was hat heute gut geklappt?“
- Gelegenheiten schaffen, in denen Kinder selbstständig Lösungen finden
5. Emotionale Sicherheit und Zugehörigkeit stärken
Ein unterstützendes Umfeld ist essenziell, damit Kinder sich wohlfühlen und ihr volles Potenzial entfalten können.
Tipps für eine starke Gruppenatmosphäre:
- Tägliche Gesprächsrunden für den Austausch von Erlebnissen
- Feste Bezugspersonen und verlässliche Strukturen
- Kleine Rituale zur Förderung des Wir-Gefühls, z. B. Begrüßungs- oder Abschiedsrituale
- Offene Gesprächskultur etablieren, in der Kinder sich sicher fühlen
Fazit: Schulkindbetreuung mit Klarheit, Empathie und Struktur meistern
Die Betreuung von 6- bis 12-Jährigen ist oft turbulent, aber auch unglaublich bereichernd. Mit einer Mischung aus Struktur, Empathie und klaren Strategien können Fachkräfte einen harmonischen Alltag gestalten. Klare Abläufe, gezielte Bewegungsangebote, konstruktive Konfliktlösungen und das Stärken der Selbstständigkeit helfen dabei, die vielfältigen Herausforderungen erfolgreich zu meistern.
Alle Gefühle sind erlaubt – nicht jedes Verhalten!
Es geht in der Schulbetreuung eben nicht nicht um eine bloße Aufbewahrung, sondern es geht um eine professionelle und wertschätzende pädagogische Begleitung. Diese Sichtweise setzt sich immer mehr durch. Daher muss klar sein, dass es bei den Kindern auch darum geht, Ihre Gefühle anzuerkennen, jedoch müssen die Fachkräfte nicht jedes Verhalten tolerieren. Ein unterstützendes Umfeld hilft den Kindern, ihre Emotionen besser zu verstehen und angemessen zu reagieren. Durch bewusste Begleitung können die Betreuungskräfte dazu beitragen, dass Kinder nicht nur betreut, sondern auch in ihrer Entwicklung gefördert und unterstützt werden.
Schulkindbetreuung ist daher keine banale Aufgabe sondern vielmehr ein sehr anspruchsvoller Auftrag!
Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.
Johann Wolfgang von Goethe.
Online-Live-Seminar
Fachkraft für die Betreuung der 6-12-Jährigen
Hausaufgaben, Chillen und Hormonchaos
Im Rahmen der modularen Online- Weiterbildung bekommen Sie Hintergrundwissen zur Altersgruppe der 6-12-Jährigen. Sie kehren mit einem großen Ideenschatz für die praktische Arbeit zurück. Im Rahmen des Seminars entwickeln Sie eine Projektidee, setzen diese in Ihrer Einrichtung um und beschreiben Ihr Projekt in einer kurzen schriftlichen Ausarbeitung.
Auszüge aus den Modulen 1 - 3:
- Einstellung und Rolle als ErzieherIn bei 6-12-Jährigen
- Rechtliche Grundlagen, Organisationsformen
- Verhaltensauffällige Kinder verstehen
- Schwierige Kinder – Fallbesprechungen
- Vorstellung von Schulhofspielen (Bewegungs-, Ball-, Hüpf- und Murmelspiele)
- „Tatort Hausaufgaben"/Lernstörungen und Lernschwächen
- Zusammenarbeit mit Eltern
- ...
Termine der modularen Online-Live-Weiterbildung über Zoom:
Die Weiterbildung besteht aus drei Modulen á vier und einem Modul mit zwei Terminen:
Modul 1: 05.05.2025; 19.05.2025; 26.05.2025 und 02.06.2025 von 8:30 - 11:30 Uhr
Modul 2: 23.06.2025; 30.06.2025; 15.09.2025 und 22.09.2025 von 8:30 - 11:30 Uhr
Modul 3: 06.10.2025; 13.10.2025, 03.11.2025 und 10.11.2025 von 8:30 - 11:30 Uhr
Modul 4: 24.11.2025 und 02.12.2025 von 8:30 - 11:30 Uhr
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